Liebe Leserinnen und Leser,
über die Frage, ob die
Kieler Woche 2020 unter den Corona-Bedingungen ein Erfolg gewesen ist, haben wir in der vergangenen Woche viel diskutiert. Auch wenn das Publikum während der acht Tage nur einen Teil des Angebots angenommen hat: Die Windjammerparade und das außergewöhnlich schöne Wetter zum Finale ermöglichten einen versöhnlichen Abschluss, weshalb die Stadt auch eine
sehr positive Bilanz gezogen hat. Anders als die Organisatoren hat mein Kollege Dennis Betzholz in seinem
Leitartikel aber auch darauf verwiesen, dass die hohen Kosten zumindest erklärungsbedürftig sind. Bei aller Kritik, die auch unsere
Umfrage widerspiegelt, eint alle Beteiligten jetzt die Hoffnung, nächstes Jahr wieder unter einfacheren Bedingungen feiern zu können - damit wieder mehr Spontaneität möglich ist und niemand mehr auf die Idee kommen muss, aufgezeichnete Konzerte auf Großbildschirmen auszustrahlen.
Ungewohnt war für unsere Redaktion auch die Situation, dass das kommunalpolitische Leben, das gewöhnlich zur Kieler Woche stillsteht, in normalem Tempo weiterging. Vor allem verkehrspolitische Debatten werden in Kiel derzeit mit vielen Emotionen geführt.
Nach unserem Interview mit Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, der in den Kieler Nachrichten das Ziel bekräftigt hat, bis 2035 den
Autoverkehr in der Landeshauptstadt um 40 Prozent zu reduzieren, gab es
lautstarke Kritik - aber natürlich auch viel Zustimmung, Kämpfer hat dafür schließlich die Mehrheit in der Ratsversammlung hinter sich.
Die laufende Debatte zeigt bereits, wie anstrengend die Auseinandersetzungen in den nächsten Jahren werden. Anders als bei der Veloroute 10, die auf einer stillgelegten Bahnlinie errichtet worden ist, wird es bei allen künftigen Veränderungen Verlierer geben. Das Kieler Hauptproblem wird es dabei sein, dass es noch sehr lange dauern wird, bis die Stadtbahn tatsächlich fährt. Pendlern, die täglich zum UKSH, den Ministerien oder anderen Arbeitsplätzen in der Stadt müssen, helfen breitere Radwege und zusätzliche Fahrradstraßen kaum. Da sind viele Zwischenlösungen und Phantasie gefragt, damit die Verkehrswende gelingt.
Gespannt bin ich, wie der Ältestenrat der Ratsversammlung heute Abend über die Frage diskutieren wird, ob das Gremium in den Wintermonaten umziehen sollte. Die Mehrheitsfraktionen aus SPD, Grünen und FDP haben das beantragt. Der Stadtpräsident lehnt dies mit guten Argumenten jedoch ab. Im Ratssaal könnten alle Hygienevorschriften eingehalten werden, sagt Hans-Werner Tovar. Mögliche Ausweichstätten seien nur schwer zu bekommen und die Mietkosten in Höhe von 15000 Euro hoch. Wenn die Kommunalpolitiker dennoch auf den Umzug bestehen, sollten sie das sehr gut begründen können.
Genießen Sie die späten Sonnentage!
Ihr Kristian Blasel
Leiter der Kieler Lokalredaktion